09.10.2011

Kinder von Libyen



Eintrag: #108

Mein Herz blutet jeden Tag, wenn ich als erste Pflichtlektüre am Morgen ihren Blog über den Krieg in Libyen lese. Der Blog ist auf Spanisch geschrieben und daher im deutschsprachigen Raum wohl kaum jemandem bekannt. Immer wieder wird darin die grauenvolle Gewalt der NATO beschrieben und die menschliche Seite der Tragödie, die Tausende libyscher Familien trifft.  

In dem Blog der spanischen Reporterin Leonor

http://www.leonorenlibia.com/

habe ich ein trauriges Gedicht gefunden, das die unfassbare, unmenschliche Tragödie schildert, hervorgerufen durch die Angriffs- und Zerstörungswut der Alliierten (vereint im Krieg!) – sprich: der NATO.  Ohne hier Politik betreiben zu wollen: Es ist ohne Zweifel eines der größten Verbrechen der Menschheit in jüngster Zeit, direkt nach der Zerstörung und Ermordung des irakischen Volkes, dem Bombardement des Libanon durch die israelische Armee und der ständigen Unterdrückung und Besetzung Palästinas.  Hier das Gedicht (unverändert):  

 
Unfassbar, ein Kind wird tot gebombt
Es schlief friedlich in dem Bettchen
Gestern lebend und heute tot
Ein Kind? Nein, mehrere Kinder
Eintausend, nein mehrere Tausend
Kinder, Frauen, Männer
Alle Zivilisten, warum?
Ein Land Bomben und für was?
Das Kind weint, die Mutter weint und der Vater verzweifelt
Ganze Familien ausgelöscht durch Bomben
Das Weinen der Kinder, Mütter und Väter wird nicht erhört
Libyen und das grüne Buch
Jamahiriya, sie kämpfen für ihre Freiheit
Sie kämpfen gegen die Übermacht
Gegen Drohnen, Bomben, Panzer
Jamahiriya, klein und so stark
Sie wollen die Freiheit nicht opfern
Was sie aufgebaut haben, liegt jetzt in Schutt und Asche
Kaputt gebombt, zerstört durch die Mächtigen
Eine Träne dort, und dort, überall in Libyen
Die Menschen verstehen nicht und fragen warum
Tränen der Kinder erweicht die Mächtigen nicht
Mein Herz bricht von diesem Anblick
Es zeigte in hunderte Videos
Doch das läßt die Welt kalt
Die Welt bleibt still, keine Empörungen, nur im kleinen Kreis
Was ist nur aus der Welt geworden?
Dort in einem Land der Jamahiriya, mit dem grüne Fahnen
Das sind Menschen, die friedlich gelebt haben
Jetzt nur noch Tod, Leid, Trauer und Zerstörungen
Unfassbar, wie soll ich verstehen
Wacht endlich auf, verschließe die Augen nicht
Jeden Tag sterben dort unschuldige Menschen
An alle Politiker warum schweigt ihr?
Nur ihr könnt es stoppen doch ihr schaut lieber weg
Mein Herz blutet und mit mir tausend Menschen
Friede für Libyen, Friede für die Welt
Yvonne Bozdag

Abschließende Worte von mir:

Wer kann, bete zu Gott,

dass er sich der gestorbenen Menschen

und ihrer Seelen (Almas) in ihrer Not annimmt.

Wer kann, bitte die Politiker,

sich der noch lebenden Menschen in ihrer Not anzunehmen.

Wer kann, dränge die Militärs,

mit der Gewalt aufzuhören.

Wer kann, verbiete das Ausplündern einer unabhängigen Nation.  Doch einen Mörder zu bitten, getötetes Leben zurückzugeben,

einen Dieb zu bitten, gestohlenes Gut zurückzuerstatten,

einen Lügner zu bitten, endlich die Wahrheit zu sagen –

ist fruchtlos, ist Illusion und macht zuletzt nur trostlos.  Euer Don José

http://www.leonorenlibia.com/
http://www.globalciviliansforpeace.com/

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05.03.2011

Navi




Eintrag: #107

Nach einer mehr als ein Jahrzehnt dauernden Österreich-Abstinenz machte ich einen ausgiebigen Heimaturlaub.

Österreich im Sommer ist ein Paradies für die Seele.

Man freut sich als Auslandsösterreicher zu sehen und zu erleben, dass Österreich, wenn es überhaupt möglich ist, noch gepflegter, die Menschen noch disziplinierter und die Umwelt noch gesünder geworden ist.

Die einladenden Ausflugsziele sind noch liebenswürdiger geworden. Die Gaststätten noch professioneller, die öffentlichen Transportfahrzeuge – wie Bus und Bahn – noch angenehmer zu benutzen.  Als kleines Minus würde ich die Abhängigkeit von der Technik erwähnen.

Ein neugebautes Haus darf nicht gelüftet werden, indem man die Tür oder ein Fenster öffnet – nein, es muss hermetisch geschlossen sein, damit die elektrische Belüftung funktioniert. Ich spreche von Belüftung und nicht von Heizung im Winter! 

Zentrale Gebäude wie Gemeinde- und Bezirksämter, Hauptplätze in den Städten – wie der Stadtplatz in Linz oder Wels –, oder diese oder jene Fußgängerzone, in der man sein Leben lang sein Bosna oder seine Frankfurter gekauft hat, oder Spitäler, in denen Generationen von Familien behandelt wurden, findet man nicht mehr, ohne ein Navi zu verwenden. 

Ich bin in Städten mit zwölf bis fünfzehn Millionen Menschen herumgefahren, aber auch in Urwaldgebieten in Paraguay und Weidegebieten in Uruguay, wo hunderte Kilometer kein Mensch zu finden ist – und siehst du einen, freust du dich und winkst ihm zu. Ich habe den südamerikanischen Kontinent der Breite nach durchquert, bin über die Anden gefahren und habe amerikanische U-Boote an der pazifischen Küste in Viña del Mar in Chile beobachtet.






Ich bin durch die Slumviertel in Rio de Janeiro, in Porto Alegre und in der bewundernswerten Stadt und Halbinsel Florianópolis gewandert, habe dem Christus die Hand geschüttelt und bin stets pünktlich, ohne mich verirrt zu haben, am nächsten Abfahrtsort erschienen.

All dies ohne ein Navigationsgerät und ohne Kompass.  


Chile
 



habe dem Christus die Hand geschüttelt


Slumviertel in Rio de Janeiro

Österreich mit seinen tausenden kleinen Gemeinden, wobei alle Bewohner Deutsch sprechen und alle Straßen asphaltiert sind, kann doch keine Verwirrung und Verirrung auslösen.

Buenos Aires ist 50 Kilometer lang – da könnte man sich glatt mal verfahren.

600 Kilometer auf einer einsamen Straße zu fahren, um einen Freund zu besuchen, könnte bei jeder Straßenkreuzung zu einer Irrfahrt werden, wenn man nicht gewisse Anhaltspunkte als wegweisende Zeichen lesen könnte. An den Spuren in den verstaubten Straßen sieht man, welche Richtung mehr befahren oder beritten wurde – und die ist dann meistens jene, die der Zivilisation am nächsten kommt. 

Ein Telefon in Österreich für tausend Euro (ein drei- bis fünffacher Monatslohn in Südamerika), um darauf das nächste Restaurant oder die nächste Tankstelle zu finden, ist wohl ein Witz, den man in Uruguay auf einer Estancia am abendlichen Lagerfeuer oder ebenfalls am Lagerfeuer, aber diesmal in Paraguay im tropischen Urwald, erzählen kann – und dabei sicher alle Zuhörer zum Lachen bringt. 

 

Uruguay



Ein Google-Übersetzer wäre sicher auch überfordert, denn die Sprachenvielfalt in Südamerika ist gewaltig. Es gilt nicht, einmal in dieser Sprache oder in jener zu reden – nein, die Sprachen werden gemischt.

Man unterhält sich gesellig, und in jeder Gesellschaft ist einer, der diese oder jene Sprache kann, und man springt von Spanisch ins Portugiesische oder Deutsche, mit einigen Wörtern in Guaraní, jetzt auch manchmal ein paar Wörtern auf Englisch, da viele Latinos ihre Arbeit in Amerika verloren haben und in ihre Heimat zurückkommen und einige Wörter stolz auf Englisch verwenden. Ja, natürlich nicht zu vergessen die Mormonen, die ja alle aus Utah kommen, um die Religion der Mormonen zu verbreiten und natürlich Englisch und Spanisch perfekt sprechen. 

Wenn man sich 25 Jahre in so einer multikulturellen Welt zurechtfindet, glaube ich, braucht man als geborener Österreicher die nächsten fünfzig Jahre noch kein Navi in Österreich.

Wohl braucht man Leute, die man fragen kann, ob sie diesen oder jenen Ort oder jene Straße kennen. Aber die gibt es ja in jeder Menge.  Fortsetzung im nächsten Eintrag… 

Don José


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