04.01.2009

Sol de Ñanduti











Eintrag: #072



Jetzt erzähle ich dir, wie angeblich diese wunderschöne Stickkunst in Paraguay entstanden ist.

Zuerst übersetze ich dir noch das Wort „Ñanduti“: Es bedeutet auf Guaraní so viel wie „Spinnennetz“.

Und wenn du genau hinschaust – jedes Muster hat tatsächlich kreisförmige Formen, genau wie ein Spinnennetz.  Wie immer gibt es Entstehungsgeschichten, Märchen oder Sagen. Genauso ist es mit dem Ñanduti.  Vor vielen Jahrhunderten lebte in Paraguay ein junger Cacique, ein Indianerführer. Er war jung, der Stärkste und Geschickteste – deshalb hatten ihn die Älteren zu ihrem Anführer gewählt.

Dieser Jüngling im Herzen des südamerikanischen Urwalds besaß viele Tugenden, aber auch einen Fehler: Er wollte alles haben, was ihm gefiel – und das geht, wie du weißt, nicht.  In seinem Dorf lebte eine Muchacha, ein Mädchen, das ihm so sehr gefiel, dass er Tag und Nacht an sie dachte. Er hatte sich richtig verliebt und wollte sie zur Frau nehmen.

Als er sie bat, mit ihm zu gehen und sein Leben zu teilen, dachte sie eine Weile nach und stellte ihm eine Bedingung:

Wenn er ihr etwas schenkte, was noch nie ein anderes Mädchen bekommen hatte – etwas ganz Besonderes –, dann würde sie Ja sagen.  Zum ersten Mal musste er etwas geben, um das zu bekommen, was er am meisten liebte.

Traurig und voller Angst, nichts Schönes finden oder machen zu können, ging er allein tief in den Urwald.  Nach einigen Tagen sah er auf einer Lichtung einen kleinen Kobold. Der Zwerg nahm die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fielen, und webte daraus mit unglaublicher Geschwindigkeit ein wunderbares, kreisförmiges Netz aus purem Licht.

Erschöpft legte sich der Kobold danach unter einen Farn in den Schatten und schlief ein.  Leise schlich sich der Cacique heran, nahm das leuchtende Netz und lief davon. Zuerst lachte er vor Freude – doch als er sich umdrehte, löste sich das Netz in einen langen Faden auf und entschwand ihm schließlich ganz.  Da kniete er nieder, weinte und flehte die Götter an – besonders den Gott des Donners und des Blitzes, den er verehrte und fürchtete:

Er wolle nie wieder etwas nehmen, was ihm nicht gehöre, wenn sie ihm nur etwas finden ließen, das er seiner Muchacha schenken dürfe.  In diesem Augenblick kam seine alte Mutter, die ihn schon gesucht hatte. Sie war weise, noch weiser als ihr Sohn. Er erzählte ihr alles: von der Muchacha, ihrem Wunsch und wie sich sein wunderbares Geschenk in nichts aufgelöst hatte.  Da begann die alte Indianerin, sich einige ihrer silbernen Haare auszurupfen. Mit diesen silbernen Fäden knüpfte sie – genauso schnell wie der Kobold – immer größere Kreise um kleinere Kreise, bis ein zauberhaftes Geflecht entstanden war.

Als die letzten Sonnenstrahlen des Tages darauf fielen, leuchtete es in allen Farben des Regenbogens.  Mit diesem Geschenk und seiner still lächelnden Mutter an der Seite kehrte der Cacique ins Dorf zurück. Er ließ das Mädchen rufen, überreichte ihr das leuchtende Netz – und vor Freude weinend nahm sie es an und gab ihm ihr Ja-Wort.  Später lehrte die Mutter ihre Schwiegertochter das Geheimnis des Stickens – diesmal mit weniger Eile und mit Fäden aus Baumwolle.  So entstand die Kunst des Ñanduti – das Spinnennetz aus Licht und Liebe. 

Don José




Wallpaper Sol de Ñanduti 1024x768


0 comentarios:

Kommentar veröffentlichen

 

My Blog List

Gedichte von Freunden

Blogupp

In Österreich ist es schon...

Kid´s Univer - summ Copyright © 2009 Black Nero is Designed by Ipietoon Sponsored by Online Business Journal