Eintrag: #107
Nach einer mehr als ein Jahrzehnt dauernden
Österreich-Abstinenz machte ich einen ausgiebigen Heimaturlaub.
Österreich im Sommer ist ein Paradies für die Seele.
Man freut sich als Auslandsösterreicher zu sehen und zu
erleben, dass Österreich, wenn es überhaupt möglich ist, noch gepflegter, die
Menschen noch disziplinierter und die Umwelt noch gesünder geworden ist.
Die einladenden Ausflugsziele sind noch liebenswürdiger
geworden. Die Gaststätten noch professioneller, die öffentlichen
Transportfahrzeuge – wie Bus und Bahn – noch angenehmer zu benutzen. Als kleines Minus würde ich die Abhängigkeit
von der Technik erwähnen.
Ein neugebautes Haus darf nicht gelüftet werden, indem man
die Tür oder ein Fenster öffnet – nein, es muss hermetisch geschlossen sein,
damit die elektrische Belüftung funktioniert. Ich spreche von Belüftung und
nicht von Heizung im Winter!
Zentrale Gebäude wie Gemeinde- und Bezirksämter, Hauptplätze
in den Städten – wie der Stadtplatz in Linz oder Wels –, oder diese oder jene
Fußgängerzone, in der man sein Leben lang sein Bosna oder seine Frankfurter
gekauft hat, oder Spitäler, in denen Generationen von Familien behandelt
wurden, findet man nicht mehr, ohne ein Navi zu verwenden.
Ich bin in Städten mit zwölf bis fünfzehn Millionen Menschen
herumgefahren, aber auch in Urwaldgebieten in Paraguay und Weidegebieten in
Uruguay, wo hunderte Kilometer kein Mensch zu finden ist – und siehst du einen,
freust du dich und winkst ihm zu. Ich habe den südamerikanischen Kontinent der
Breite nach durchquert, bin über die Anden gefahren und habe amerikanische
U-Boote an der pazifischen Küste in Viña del Mar in Chile beobachtet.
All dies ohne ein Navigationsgerät und ohne Kompass.
Österreich mit seinen tausenden kleinen Gemeinden, wobei
alle Bewohner Deutsch sprechen und alle Straßen asphaltiert sind, kann doch
keine Verwirrung und Verirrung auslösen.
Buenos Aires ist 50 Kilometer lang – da könnte man sich
glatt mal verfahren.
600 Kilometer auf einer einsamen Straße zu fahren, um einen
Freund zu besuchen, könnte bei jeder Straßenkreuzung zu einer Irrfahrt werden,
wenn man nicht gewisse Anhaltspunkte als wegweisende Zeichen lesen könnte. An
den Spuren in den verstaubten Straßen sieht man, welche Richtung mehr befahren
oder beritten wurde – und die ist dann meistens jene, die der Zivilisation am
nächsten kommt.
Ein Telefon in Österreich für tausend Euro (ein drei- bis
fünffacher Monatslohn in Südamerika), um darauf das nächste Restaurant oder die
nächste Tankstelle zu finden, ist wohl ein Witz, den man in Uruguay auf einer
Estancia am abendlichen Lagerfeuer oder ebenfalls am Lagerfeuer, aber diesmal
in Paraguay im tropischen Urwald, erzählen kann – und dabei sicher alle Zuhörer
zum Lachen bringt.
Man unterhält sich gesellig, und in jeder Gesellschaft ist
einer, der diese oder jene Sprache kann, und man springt von Spanisch ins
Portugiesische oder Deutsche, mit einigen Wörtern in Guaraní, jetzt auch
manchmal ein paar Wörtern auf Englisch, da viele Latinos ihre Arbeit in Amerika
verloren haben und in ihre Heimat zurückkommen und einige Wörter stolz auf
Englisch verwenden. Ja, natürlich nicht zu vergessen die Mormonen, die ja alle
aus Utah kommen, um die Religion der Mormonen zu verbreiten und natürlich
Englisch und Spanisch perfekt sprechen.
Wenn man sich 25 Jahre in so einer multikulturellen Welt
zurechtfindet, glaube ich, braucht man als geborener Österreicher die nächsten
fünfzig Jahre noch kein Navi in Österreich.
Wohl braucht man Leute, die man fragen kann, ob sie diesen
oder jenen Ort oder jene Straße kennen. Aber die gibt es ja in jeder
Menge. Fortsetzung im nächsten
Eintrag…
Don José






























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